Ich wollte mal ein Thema anschneiden, ohne eine allzu große Abhandlung zu schreiben. Daher fasse ich mich einfach etwas kürzer:
In der aktuellen Ausgabe des Spiegels ist ein Interview mit Westbam erschienen. Beim Lesen der Überschrift springt mir die Frage ins Auge, was ein DJ eigentlich macht, wenn der Techno tot ist. Liest man ein paar Zeilen mehr wird einem schnell klar, dass es hier nicht um ein Gedankenspiel geht, sondern um eine Feststellung des Autors. Der Techno ist tot? Habe ich etwas verpasst?
Es ist paradox in welcher Regelmäßigkeit die Medien den Tod eines Musikstils beschwören, nur um in derselben Regelmäßigkeit Interviews mit Künstlern und Berichte über Veranstaltungen zu bringen, die sich mit genau diesem Musikstil befassen. Für einen Toten ist Techno erstaunlich lebendig und scheinbar interessant genug immer wieder thematisiert zu werden. Da diese Leier aber nichts Neues ist und schon seit Mitte der Neunziger (!) Immer wieder von den Medien praktiziert wird, hat mich weniger die Aussage an sich, sondern der Zeitpunkt der Spiegel-Aussage erstaunt. So greifen selbst Journalisten zurzeit regelmäßig die Tatsache auf, dass die USA mit großer Verzögerung endlich elektronische Musik für sich entdeckt haben. Darüber hinaus erleben große Festivals für Techno und House einen ungeheuren Zulauf, dem Berghain in Berlin wird ein mehrseitiger Artikel im Stern gewidmet und auch sonst ist elektronische Musik in Werbung und als Hintergrundbeschallung in Läden omnipräsent. In einer großen Tageszeitung war gar die Rede von der zurzeit beliebtesten Musikrichtung unseres Planeten. Aber halt – dort wird zwar die Popularität elektronischer Musik anerkannt und Protagonisten der Technoszene interviewt, allerdings fällt das Wort „Techno“ an sich fast gar nicht. Es wird vielmehr von „EDM“ oder „Elektro“ gesprochen. Woran liegt das?
Techno ist im gesellschaftlichen Bewusstsein schon immer mit schnellen oder monotonen maschinellen Klängen, schrill gekleideten Fans oder dem Rave-Ding der Neunziger gleichgesetzt worden. Alles was sich nicht in diese Kategorie stecken ließ, musste folglich etwas anderes sein. Obwohl Techno schon lange in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist und die meisten „Raver“ äußerlich auf den ersten Blick nicht mehr von anderen jungen Leuten zu unterscheiden sind, haben aber insbesondere Fernsehbilder der Love Parade das schräge Bild aufrecht erhalten, dass sich die Gesellschaft vom „normalen Technofan“ gemacht hat. Nach der massiven Verbannung elektronischer Musikformate im Radio, die sich nicht mit der Förderung deutschsprachigen Liedgutes vereinbaren ließen, und der Love Parade-Katastrophe in Duisburg, verschwanden die einzigen Berührungspunkte die „Otto-Normalverbraucher“ in der Regel mit Techno hatte.
Als sich Techno naturgemäß weiterentwickelte und reduziertere und langsamere Klänge dominierten, war der Begriff für die breite Masse gestorben. Wo war die Musik jenseits der 160 bpm, wo die öffentlichen Massenveranstaltungen auf denen Raver in grellen Outfits und gefärbten Haaren ekstatisch tanzten und sich zu dröhnten? Es musste daran liegen dass Techno gestorben war.
Mit dem Durchbruch elektronischer Musik in den USA und der einhergehenden Kommerzialisierung ist in letzter Zeit auch das mediale Interesse in Deutschland wieder aufgeflammt. Berlin wird als die Partymetropole für Clubmusik gehypt, Künstler wie Paul Kalkbrenner werden selbst von der Süddeutschen Zeitung gefeiert und ein Stuttgarter Autobauer unterlegt seine Werbespots mit hart verzerrten Maschinensounds. Um nun der ganzen Sache einen frischen Anstrich zu verpassen werden von den Medien neue Wortschöpfungen aus dem Hut gezaubert. Dass es sich in vielen Fällen immer noch um Techno handelt wird dabei geflissentlich übersehen. Schließlich klingt „EDM“ (natürlich englisch ausgesprochen) inzwischen wesentlich cooler und frischer als ein über 25 Jahre alter Begriff. Somit bleibt Techno tot und etwas Neues hat seinen Platz eingenommen. Schließlich warten ja alle schon seit mehr als 10 Jahren auf das ganz große neue Ding…
Schöner Artikel genau auf den Punkt gebracht
Tekno ist anscheinend wirklich tot. Zumindest wenn man sich in der vermeintlichen „Szene“ so um hört und umschaut; Tekno existiert nicht mehr. Bzw. das was heute Techno genannt wird, hat nichts, absolut nichts -ausser dem 4/4 Takt- mit dem Urgestein Techno alla Jeff Mills oder Konsorten der 90er zu tun. Klar, Musik muss sich weiterentwickeln, aber zu welchem Preis denn? So oder so… für mich bedeutet Techno: wilde Party oberhalb der 150bpm; Freiheit und ach ihr wisst schon. Doch leider werden solche Zusammentreffen heutzutage radikal von der Polizei und sonstwas auseinander getrieben (siehe die letzte große Freetek 2004).
Das gedöns, das heute als „Techno“ bezeichnet wird, hat meines Erachtens nichts mehr mit Tekno zu tun!
Hallo Moringaa,
ich bin anderer Meinung und denke, dass sich Techno als Stil nicht einzig über eine bestimmte Geschwindigkeit definiert. Beim Techno steht m. E. nach der Beat im Vordergrund, er trägt und treibt den Track voran. Außerdem folgen Technotracks nicht den klassischen Songstrukturen, sondern einem völlig anderen Aufbau. Ich stimme Dir zu, dass vieles was heute produziert wird, mit Techno nichts mehr am Hut hat, aber es gibt immer noch sehr viele Sachen, die dem „ursprünglichen“ rohen Soundgefüge von Techno entsprechen, nur eben in der Geschwindigkeit reduzierter daher kommen. Check doch mal Labels wie Drumcode oder CLR, hier veröffentlichen ja immer noch viele Konsorten der 90er, wie Adam Beyer, Cari Lekebusch, Ben Sims, etc. Tracks, die im Gegensatz zu früher eben modernere Sounds verwenden und „sauberer“ rüberkommen, dem Ursprungsgedanken aber Rechnung tragen.
Und wilde Technopartys gibt es, zumindest in Frankfurt, noch jede Menge zu finden, auch in Off-Locations. Selbst Techno jenseits der 140 – 150 bpm ist hier keine Seltenheit 😉
Gruß Erik
… wegen mir auch oberhalb 140bpm 😉
EDM = Elektronische Deppen Musik
Mehr muss ich wohl zu meiner Meinung über den Begriff EDM nicht sagen.
Zum Thema Techno: Leider krankt es der Frankfurter & Rhein/-Main Szene schon lange an Bereitschaft zur Vielfalt im Sammelbegriff Techno. Jahrelang wurden hier Sounds wie Techhouse, Minimal und Slo-Mo Techno gefördert, Veranstaltungen mit anderen Styles wie Drum ’n Bass und Hardcoretechno/-Gabber waren seit dem Ende der Box und dem Ende der Labellandschaft von PCP (Plant Core Productions) in FfM eine Seltenheit oder wurden von Meinungsmachern ausgegrenzt und diffamiert. Einziger kurzzeitiger Lichtblick war das Aufkeimen des Hardtechno Anfang der Nullerjahre im U60311.
Ich glaube schon lange das es der Frankfurter Szene (und damit meine ich im speziellen auch Veranstalter und Clubbetreiber) an Offenheit gegenüber „allen“ Styles fehlt. Klar passieren ab und zu auch mal Parties wo diese von mir genannten anderen mal Styles stattfinden aber das ist sehr selten und krankt oft leider auch an wirklich innovativen Konzepten. Es fehlt einfach an Locations in Frankfurt in denen Veranstaltungen stattfinden können, die nicht dem kommerziellen Standard Wochenend Zirkus folgen.
Dem Underground, der eigentlich der Motor der Innovation ist und sein soll, wird hier einfach keine Chance gegeben und wenn dann doch irgendwo mal was anderes als der immer gleiche Techhouse/ -Minimal läuft, reagierten die Partygänger mit Unverständnis und sich leerenden Tanzflächen, was wir wohl der mangelnden Vielfalt in der Vergangenheit zu verdanken haben. Ich spreche da aus Erfahrung, da ich dieses Verhalten schon live in der Bar99 erleben durfte.
Nichtsdestotrotz gebe ich Frankfurt als eines der Zentren deutscher Technomusik nicht auf und kämpfe weiter um den Erhalt und die Förderung des Undergrounds in meiner musikalischen Heimatstadt Frankfurt.
Techno ist nur wegen des Namens tot. Tech–NO ! Wenn es Tech-Yes heißen würde, dann könnte es noch leben.